Gesichter der Frauenbewegung in Wiesbaden

23. september 2023 (10.30 - 17.00 uhr)

HEIMATHAFEN

Gerichtsstraße 2, 65185 Wiesbaden -der Heimathafen im alten Gericht.

DIESE MENSCHEN FREUEN SICH AUF EINEN DIALOG MIT IHNEN

KULTURELLE TEILHABE: VORREITERIN UND GRÜNDERIN

Es begann mit dem Studienschwerpunkt „Gender Studies“ in einer Zeit, wo es diesen Begriff in der Soziologie noch nicht gab. Parallel dazu war ich in der autonomen Frauen- und Lesbenbewegung aktiv. Anfang der 80er Jahre habe ich gemeinsam mit gleichgesinnten Frauen den Verein „Frauenwerkstatt Wiesbaden, Zentrum für Kommunikation und Bildung e.V.“ aufgebaut und in der Folge entstanden die „Frauen-Bildungs-Räume“ und der „Mädchentreff Wiesbaden“. Die Gründung des „frauenmuseums wiesbaden“ war der Höhepunkt: 1997 wurde es mit dem Kulturpreis der Stadt Wiesbaden ausgezeichnet und 2020 als „Museum des Monats“ durch die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst für herausragende Verdienste gekürt. Vor diesem Hintergrund weiß ich, was es heißt, kulturpolitisch wirksame und zukunftsfähige Projekte zu entwickeln, umzusetzen und zu erhalten.

 

Beatrixe Klein


DEN FRAUEN IN NOT EINE STIMME GEBEN

Das Frauenzentrum in Wiesbaden der 70er Jahre war ein Ort der sprudelnden Ideen, dort keimte die Vision vom Verein „Frauen helfen Frauen“. Als Mitgründerin habe ich ehrenamtlich viele Jahre im Vorstand gearbeitet. Frauen zuzuhören, zu beraten und zu unterstützen, das war mein Ziel. Und überhaupt über häusliche Gewalt offen zu sprechen! Damals war es eine Leistung, die Polizei zu überzeugen, Statistiken über „Familienstreitigkeiten“ zu führen und die Fakten an die Oberfläche zu bringen: Alkoholismus, Schläge, psychologische Gewalt –genau hier in unserer Stadt! Unser Verein hat sich für Frauen in Schwierigkeiten stark gemacht. Zusammen mit dem Frauenzentrum haben wir diskret Fahrten nach Holland zur Abtreibung organisiert und für ein geschütztes Frauenhaus in Wiesbaden gekämpft. Bis heute sind wir hier präsent und aktiv gegen alle Formen von Gewalt. 

 

Bettina Bergmann-Remy


BEOBACHTUNG UND MUTIGE BERICHTERSTATTUNG

Als ehemaliges Mitglied der Lokalredaktion des Wiesbadener Kuriers war ich als Journalistin für die Kommunalpolitik und für die Bereiche Stadtentwicklung, Bauen, Verkehr, aber auch für gesellschaftliche und soziale Themen zuständig. Aus persönlichem Interesse habe ich die Entfaltung der Frauenbewegung in Wiesbaden unter die Lupe genommen, dokumentiert und an die breite Öffentlichkeit gebracht. Seit der Ernennung der ersten Frauenbeauftragten, Frau Brunner, beobachte ich die Arbeit des Frauenreferates. Einer meiner Schwerpunkte lag auf der Frauen- und Gleichstellungspolitik. Zum Beispiel berichtete ich über den „Backlash“ im Wiesbadener Magistrat, als 2017 in der Ära des damaligen OB Sven Gerich (SPD) nur noch männliche Dezernenten berufen wurden. 

 

Birgit Emnet


WÜTEND SEIN KANN ICH GUT

 

39 Jahre alt, Kaufmann, Musiker, beruflich als

Politiker tätig. Ich habe in der Kommunalpolitik mehr als einmal erfahren, wie rückständig wir in Fragen der Gleichstellung sind.

 

Als langjähriger Sänger einer Metalband verfüge ich über eine laute Stimme –und Wut. Beides setze ich gerne für die Frauenbewegung ein, damit Männerohren nicht weghören können. 

 

Felix Kisseler


VIELES BEWEGEN, MANCH-MAL AUCH DAS UNMÖGLICHE

Meine Neugier brachte mich nach Wiesbaden. Nach meiner Ausbildung als Köchin entfaltete sich im Abitur mein politisches Bewusstsein: Vietnamkriegsproteste, Studentenbewegung, beginnende Frauen-, Friedens- und Umweltbewegung. Das Motto „Frauen: Steht auf und bringt euch ein!“ hat mich durch mein Medizinstudium begleitet. Das wahre Leben von Frauen aber entdeckte ich als Ärztin und Psychotherapeutin in der Beratungsstelle profamilia: Psychische und sexuelle Gesundheit, Familienplanung, ungewollte Schwangerschaften, Traumatisierung durch sexuelle und häusliche Gewalt. Ich entschied mich, als Stadtverordnete in der Fraktion B90/Die Grünen diese Themen voranzubringen, weil nur politisches Engagement strukturelle Veränderungen bringt. Das „Frauennetzwerk“ und der Verein „wif e.V.“ sind ein Resultat davon. 

 

Helga Brenneis


DIE KÜNSTLERIN DES NETZWERKENS

Damals Schulrektorin und Fortbildnerin, heute Malerin und Buchautorin. Frauen untereinander zu verbinden war mein Wunsch. Mit der Gründung des Netzwerks „Connecta“ für berufstätige Frauen in Wiesbaden in den 90er-Jahren und mit dem Kommunikationszentrum „KOMZ“ habe ich Räume und ein Dach für 16 weitere Vereine in unserer Stadt (mit) eingerichtet und zeitweise auch als Vorsitzende über zehn Jahre ehrenamtlich gearbeitet. Es war ein buntes Miteinander von Frauengruppen aus unterschiedli- chen Richtungen und Kulturen: Lebendig, kreativ, engagiert. Über die Frauen und die Geschichte von „KOMZ“ drehe ich im Jahr 2022 einen Film. 

 

Marietta Wollny


WURZELN DER UNGLEICHHEIT FILMEN

Als ich 15 Jahre alt war, bröckelte die Fassade meines unberührten Weltbildes. Meine Freundin wurde Opfer sexualisierter Gewalt durch einen Verwandten und ich tauchte mit ihr in eine Welt der Angst und Ohnmacht. Rückblickend war diese Erfahrung ein prägendes Gegengewicht zu den Einflüssen und Reizen meines Erwachsenwerdens: Unzureichende Aufklärung über gleichberechtigte und selbstbestimmte Sexualität, Pornografie, Sexismus, die Objektivizierung von Frauen und der obligatorische Junggesellenabschied auf der Reeperbahn. All das schien völlig normal. Die Suche nach den Wurzeln dieser systematischen Ungleichheit zieht sich wie ein roter Faden durch meinen Werdegang, bis zu meiner aktuellen Filmarbeit über das Thema Prostitution in Wiesbaden. Die Selbstverständlichkeit und Selbstherrlichkeit, mit der dieses patriarchale System verteidigt wird, elektrisiert mich. Das Thema geht uns alle an und ich lade Sie ein, einen Blick mit mir hineinzuwagen. 

 

Matthias Gathof


MEHR ALS NUMMER 29741 ZU SEIN!

1971 aus einer Akademikerfamilie in Griechenland nach Biebrich kommend, erhielt ich in einer Fabrik eine Nummer zugeteilt und wurde damit abgestempelt. Ich, ebenso wie 99 % der anderen Migrant:innen, kannte weder die Zusammenhänge des Lebens in Deutschland noch konnte ich Deutsch. Das wollten wir, vier Initiatorinnen der „Frauengruppe in Biebrich“, definitiv ändern. Frauen aus der Isolation nehmen, sie motivieren, Deutschlernen, über gemeinsame Probleme reden und Lösungen finden: Das haben wir erreicht. Später wurde mir klar, dass unsere Probleme nur gelöst werden können, wenn wir die Männer miteinbeziehen, statt sie von den Themen fernzuhalten. Als erste ausländische Frau im Rathaus war ich 14 Jahre politisch engagiert. Wie ich trotz Schwierigkeiten und sogar Enttäuschungen hart geblieben bin, um wichtige Entscheidungen für Frauen zu treffen, möchte ich in meiner Geschichte erzählen.

 

Meropi Konaka


EIGENMACHT STATT OHNMACHT

Wir hatten keinen Plan. Wir wollten unsere Frauenkörper entdecken, selbstbestimmt handeln, einen Raum schaffen für alle Phasen des Frauseins und Frauensolidarität leben.

Inspiriert durch Sirona, die keltische Göttin des heilenden Wassers Wiesbadens, haben wir 1994 das gleichnamige Frauengesundheitszentrum „Sirona“ gegründet. Bis heute bin ich als 1. Vorsitzende, Kursleiterin und Beraterin dabei. Wir arbeiten an der Schnittstelle von Schulmedizin, Naturheilkunde und Selbstheilung. Auf allen Ebenen des menschlichen Lebens –physisch, psychisch, emotional und seelisch– ist Gesundheit für uns mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Als Homöopathin sowie Körper- und Phytotherapeutin gebe ich mein Wissen für Heilungsprozesse und Hilfsmittel weiter. Ich lade Frauen ein, ihrer Intuition zu vertrauen, um für sich den richtigen Weg zu finden. 

 

Sigrid Schellhaas


Die erstarkte

In Darmstadt aufgewachsen. Mit 18 Jahren wurde ich mit einem mir unbekannten Mann in Marokko verheiratet. Sieben Jahre und drei Kinder später war ich auf mich alleine gestellt. Die Erfahrungen zwischen Marokko und Deutschland stärkten mich. Nicht alles war schön. Aber alles ist gut ausgegangen.

 

Mit 41 Jahren hatte ich endlich meine Traumausbildung und bin heute staatlich anerkannte Erzieherin.